Mutter*tag 2023

Der sogenannte Muttertag – das soll der eine Tag im Jahr sein, an dem Mütter* sichtbar werden und ihnen für ihre Mutter*liebe und ihre Hingabe in der Sorge- und Reproduktionsarbeit gedankt wird. An diesem Tag geht es also – zumindest vordergründig – um Wertschätzung und Anerkennung. Aber: Welche Lebenswelten und Erfahrungen von Müttern* werden an diesem Tag eigentlich gesellschaftlich sichtbar und welche werden dagegen unsichtbar gemacht? Welche Mütter* meint der sogenannte Muttertag eigentlich? Und wofür sollen Dankbarkeit und Anerkennung ausgedrückt werden? 

Wir finden, die alltägliche Last und die strukturelle Benachteiligung, die Angst vor (Alters-)Armut und Jobverlust, finanzielle Abhängigkeiten, das ständige Beurteilt- und Beobachtet-Werden, viele schwierige Situationen von ganz unterschiedlichen Müttern* – kurz: das Politische und das Feministische – werden an diesem Tag gezielt ignoriert und damit unsichtbar gemacht.

Wir lassen uns nicht länger mit Parfüm umnebeln, mit Schokolade ruhig stellen oder mit Rosen besänftigen und werden daher erneut zum sogenannten Muttertag 2023 aktivistisch aktiv. 

Wir bespielen dieses Jahr verschiedene Plätze und Denkmäler in Berlin und tragen so unsere Forderungen in den Stadtraum. Die Forderungen betreffen sechs Themenkomplexe: Sorgearbeit, Existenzsicherung, reproduktive Gerechtigkeit, Kritik am Ideal der Kleinfamilie, geschlechtsspezifische Gewalt und unsicheren Wohnraum. Sie sind miteinander verwoben und können nicht getrennt betrachtet werden, denn sie bilden den Boden, auf dem unsere patriarchale, kapitalistische Gesellschaft steht. 

Zum sogenannten Muttertag 2023 fordern wir:

1. Sorgearbeit aufwerten, umverteilen und gemeinschaftlich tragen #stattRosen

Nach wie vor existieren deutliche strukturelle Benachteiligungen und Ungleichheiten bei der Anerkennung und Entlohnung von Sorgearbeit. In Deutschland leisten FLINTAs im Durchschnitt etwa eineinhalbmal so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer. Mütter* sind dabei überproportional von Mehrbelastungen betroffen, sie tragen einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit. Die COVID-19-Pandemie hat diese Ungleichheit und die Herausforderungen, die damit einhergehen, noch verstärkt. Diese Kluft sichtbarer zu machen und Sorgearbeit gerechter zu verteilen, um die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu verbessern, finden wir dringend nötig!
Historisch gesehen wurde Sorgearbeit überwiegend von FLINTAs verrichtet, was zu dieser stark ungleichen Verteilung geführt hat. Am sogenannten Muttertag werden dazu gehörige Tätigkeiten wie Kümmern, An-Dinge-denken, Organisieren, Putzen, Kochen, Aufräumen, Zuhören, Rat geben, Trösten und Begleiten vor allem als Ausdruck von quasi „natürlicher“ (Mutter*-)Liebe dargestellt und nicht als die harte Arbeit, die sie sind. Dabei ist die Sorgearbeit von Müttern* nicht immer erfüllend, sondern häufig anstrengend und erschöpfend, außerdem komplett unbezahlt und eben im Privaten verborgen. Die Verklärung anlässlich des sogenannten Muttertags wirkt als winziges Pflaster, das die alltägliche Realität der Unsichtbarkeit und Geringschätzung von Sorge- und Pflegearbeit überdeckt.
Dieser Tag gibt also nicht nur ein bestimmtes Bild von Müttern* wieder, sondern erinnert die Gesellschaft auch daran, wo der „richtige“ Platz einer Mutter* sei. Das Überspielen der gesellschaftlichen Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Lebensverhältnissen erscheint uns angesichts der eklatanten Ungleichheit als blanker Hohn.

Deshalb fordern wir #stattRosen:
– die gesellschaftliche Organisation von Reproduktionsarbeit umzustrukturieren, damit sie nicht ausschließlich auf individueller oder familiärer Ebene lastet, sondern als gemeinschaftliche Verantwortung betrachtet wird und den Ausführenden ermöglicht, gleichberechtigt an gesellschaftlichen Bereichen teilzunehmen
– das Bewusstsein zu erhöhen für die gesellschaftliche Bedeutung von Care-Arbeit und die bestehende Ungleichheit in ihrer Verteilung
– die stärkere Bekämpfung struktureller Benachteiligungen und Ungleichheiten sowie die Reduzierung von Mehrbelastungen, z.B. mithilfe politischer Maßnahmen wie solidarischerer Familienpolitik, flexibleren Arbeitszeitmodellen oder stärkerer Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Care-Berufen
– dass überholte, stereotype Rollenbilder abgebaut werden, z.B. mithilfe von Bildungsmaßnahmen
– Anerkennung der Vielfalt von ganz unterschiedlichen Müttern* und Elternschaftsmodellen sowie feministische, solidarische Unterstützung dieser, z.B. mithilfe rechtlicher Gleichstellung

2. Kinder finanziell absichern #stattRosen

Mit der Geburt jedes Kindes, aber auch häufig schon in der Zeit der Schwangerschaft, beginnen stürmische Zeiten. Es gilt den Alltag zu reorganisieren, schlaflose Nächte durchzuhalten und dabei den Kindern gegenüber empathisch und zugewandt zu bleiben. Kommen dazu noch finanzielle Sorgen durch die mangelnde finanzielle Absicherung von Kindern und derjenigen, die sich um sie kümmern, wird diese ohnehin angespannte Situation zunehmend erdrückend. Ein gutes Leben rückt in weite Ferne.
Die Zahlen für Deutschland zeigen deutlich: Kinder zu kriegen oder zu haben, bedeutet ein Armutsrisiko einzugehen und das insbesondere für FLINTA Personen. Das Risiko, in Armut zu leben, ist dabei für Ein-Eltern-Familien besonders hoch: 43 Prozent der Ein-Eltern-Familien gelten als einkommensarm, während es bei den Paarfamilien mit einem Kind 9 Prozent, mit zwei Kindern 11 Prozent und mit drei Kindern 31 Prozent sind. Frauen* sind dabei in besonderer Weise davon betroffen, denn 88 Prozent der Alleinerziehenden sind Mütter*.
Diese Armut, die mit dem Kinderhaben und -kriegen einhergeht, ist dabei häufig nicht nur temporär. Sie setzt sich fort, in den Lebensgeschichten von Eltern und Kindern.
Obwohl Mütter* und insbesondere Alleinerziehende im Alltag enorm viel leisten, oftmals allein für ihre Kinder Verantwortung übernehmen, umfänglich erwerbstätig sind, den Haushalt managen und dabei zu oft über ihre Kräfte hinaus gehen und ihre Gesundheit gefährden, sind sie überdurchschnittlich von (Alters-)Armut betroffen. Die vielen Stunden unbezahlter Care-Arbeit, die schlechtere Bezahlung in FLINTA*dominierten Branchen, die Normierung der Arbeitswelt auf allzeitverfügbare und von Care-Arbeit entlastete Cis-Männern, führen nicht nur zu einem Gender Pay Gap von 18%, sondern auch zu einem Gender Pension Gap von 29,9%. Jede Fünfte Frau ist so aktuell von Altersarmut betroffen.
Aber nicht nur diejenigen, die für Kinder finanziell, emotional und tatkräftig sorgen, erfahren in nahezu allen Lebensbereichen existenzgefährdende Benachteiligungen, sondern vor allem die Kinder, die als Folge der fehlenden Absicherung in Armut aufwachsen. Niedrigere Bildungschancen, geringerer soziale Teilhabe, mangelnde Ressourcen für Gesundheitsförderung, um nur einige Folgen von Einkommensarmut zu benennen, begleiten diese Kinder ein Leben lang. Kinder- und Jugendarmut ist seit Jahren ein ungelöstes strukturelles Problem in Deutschland, das durch aktuelle Preissteigerungen weiter verschärft wird. Es braucht ein komplexes Gefüge an Maßnahmen, damit Kinder zu haben oder Kind zu sein nicht länger bedeutet, einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt zu sein.

Deshalb fordern wir #stattRosen:

  • die finanzielle Absicherung von Kindern. Die aktuell diskutierte Kindergrundsicherung sehen wir hier als einen wichtigen Baustein, der aber von weiteren Maßnahmen begleitet werden muss
  • die finanzielle Absicherung derjeniger, die für Kinder Sorgen z.B. durch ein existenzsicherndes und lohnunabhängiges Elterngeld
  • die grundlegende Umverteilung, Aufwertung und Anerkennung von Care-Arbeit
  • finanzielle Begünstigungen an das Vorhandensein von Kindern zu knüpfen und nicht an Ehen. Wir forden daher die Abschaffung des Ehegattensplitting und Privilegierung der Mann-Frau Ehe.
  • die stärkere Bekämpfung struktureller Benachteiligungen und Ungleichheiten sowie die Reduzierung von Mehrbelastungen für Care-Arbeitende durch z.B. solidarischere Familienpolitik, flexiblere Arbeitszeitmodelle oder stärkerer Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Care-Berufen
  • den Ausbau von Sozialwohnungen statt Spielplatz für Superreiche und Verantwortungsübernahme der Kommune insb. Familien genügend großen und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
3.Rassistische Inobhutnahmen stoppen #stattRosen

Familien erleben strukturellen Rassismus durch Fachkäfte der Familienhilfe und Mitarbeiter*innen der Jugendämter.
Laut der Studie „Diskriminierung von Migrantinnen und Schwarzen im deutschen Jugendhilfesystem“ (1) der Universität Siegen aus dem Jahr 2020 sind Schwarze und migrantisierte Familien in Deutschland im Vergleich zu weißen Familien wesentlich häufiger von Inobhutnahmen betroffen.
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass es eine systematische Benachteiligung und Diskriminierung von migrantisierten und Schwarzen Menschen gibt, die in Kontakt mit dem Jugendhilfesystem kommen. Insbesondere wurden diese Gruppen häufiger in Obhut genommen und seltener in Pflegefamilien vermittelt. Darüber hinaus wurden bei der Unterbringung in Einrichtungen kultursensible Aspekte häufig nicht berücksichtigt und es kam zu rassistischen Praktiken seitens der Fachkräfte.
Im kürzlich erschienen Artikel der nd zu rassistisch motivierten Inobhutnahmen macht die schreibende Person darauf aufmerksam, dass mehr als die Hälfte aller 50 000 Inobhutnahmen pro Jahr Eltern mit Migrationsgeschichte betreffen, obwohl sie nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Diese Gegenüberstellung macht die Dimension dieser rassistischen Praxis deutlich.
Ebenso kommt in dem Artikel die Anwältin Asha Hedayati zu Wort, die regelmäßig von Inobhutnahmen betroffene Mütter vertritt. Sie verdeutlicht, dass der Begriff »Kindeswohl« nicht genau definiert ist und somit Auslegungssache der zuständigen Sozialarbeiter*innen, den Mitarbeitenden der Familienhilfen oder dem Jugendamt ist. Ebenso greift der Artikel das Machtgefälle zwischen geflüchteten oder migrierten Schwarzen Elternteilen und staatlichen Behörden auf. Ergänzend führt Kadiatou Diallo von »Space2grow« auf, dass dieses Machtgefälle Raum für rassistische Interpretationen bietet und den Kindeswohl-Begriff an dieser Stelle mit deutschen oder eurozentristischen Standards füllt.
Diese Praxis spiegelt jedoch nicht nur den institutionellen Rassismus wider, sondern verstärkt auch patriarchale Vorstellungen von Familienstrukturen und elterlicher Verantwortung.

Deshalb fordern wir #stattRosen:

  • Inobhutnahmen sollten nur als Ultima Ratio angewendet werden dürfen, also als eine äußerste Schutzmaßnahme bei Gefahr für Leib und Leben, im Falle ausgeprägter Gewaltstrukturen wie Missbrauch, bei dauerhafter Vernachlässigung und bei häuslicher Gewalt
  • Die Einführung von rassismuskritischen Schulungen für alle Mitarbeiter*innen des Jugendamts – auch Honorarkräfte – und Fachkräfte der Familienhilfe um eine Sensibilität für strukturellen Rassismus zu erarbeiten.
  • Eine bessere finanzielle Unterstützung und ein umfassenderes Beratungsangebot für betroffenen Familie.

Quelle 1:

Temme, G., Bedürftig, S., Kauschke, C., & Schneider, E. (2018). Diskriminierung von Migrantinnen und Schwarzen im deutschen Jugendhilfesystem. Siegen: Universität Siegen.
 
4.Kleinfamilie entromantisieren #stattRosen

Die heteronormative Kleinfamilie steht als Leitbild für Zugehörigkeit, Fürsorge, Sicherheit und Liebe, sie ist das Ideal des harmonischen Zusammenlebens, das zum Wohl der Kinder und zum Frieden in der Gesellschaft beitragen soll.
Aber ist sie das wirklich?
Für Viele, vorallem für FLINTA Personen bedeutet sie Erschöpfung, Machthierachien, Gewalt und Unterdrückung durch ungleiche und ungerechte Verteilung von Care Arbeit und Verantwortung, Aufrechterhaltung männlicher Privilegien und patriachaler Ideale.
Unser gesamtes Wirtschaftsystem würde ohne die im Konstrukt der Kleinfamilie geleistete, unbezahlte Care-Arbeit, auseinanderbrechen. Dies bleibt unsichtbar. Stattdessen wird im öffentlichen Diskurs das heteronormative Mutter- bzw. Elternsein in der Kleinfamilie romantisiert und sentimentalisiert. Zuwendung und Fürsorge verbleiben als biologistisches Ideal im Kontext der Verwandtschaft und werden dazu auf eine rein biologische Beziehung von Kindern zu ihren Eltern reduziert. Und das, obwohl die Exklusivität von zwei Eltern häufig für Überforderung und Erschöpfung sorgt.
Besonders deutlich ist dieser romantisierende und normative Diskurs zur Kleinfamilie, zum Zwecke patriachaler Ideale, am sogenannten Muttertag.

Deshalb fordern wir #stattRosen:

  • Grundlegende Umverteilung, Aufwertung und Anerkennung von Care-Arbeit: Community Care statt Privatisierung
  • Entromatisierung und Enbiologisierung des Konstrukts Kleinfamilie
  • Staatliche, rechtliche Unterstützungen an das Vorhandensein von Kindern knüpfen, nicht an Ehen: Abschaffung des Ehegattensplittings und der Privilegisierung der Mann-Frau Ehe
  • Diverse Familienmodelle anerkennen und rechtlich gleichstellen, z.B. indem Elternstatus, Sorgerecht, Adoptionsrecht und Umgangsrecht für mehr als zwei Personen ermöglicht werden (für queere Familien)
  • Elterngeld und Elternzeit reformieren und aktualisieren für eine Gleichstellung der Geschlechter
  • Diskriminierung von Alleinerziehenden stoppen!
  • Mehr Schutzräume vor geschlechtsspezifischer Gewalt, um das Verlassen der Kleinfamilie zu ermöglichen

Quellen:

  1. Bücker, Teresa: Unlearn familie (S.123 aus Unlearn Patriarchy, Berlin 2022: Ullstein Buchverlag)
  2. Lewis, Sophie: Die Familie abschaffen: Wie wir Care-Arbeit und Verwandschaft neu erfinden (Stuttgart: 2023 S.Fischer Verlag)
  3. Roig, Emilia: Das Ende der Ehe (Berlin 2023: Ullstein Buchverlag)
5.Schutz vor Gewalt #stattRosen

Im Jahr 2021 erlebten durchschnittlich jede Stunde 13 Frauen* Gewalt im Kontext einer Partnerschaft. Im selben Jahr wurden in Deutschland 113 Frauen* durch den (Ex-)partner getötet. In den allermeisten Fällen kann hier von einem Femizid gesprochen werden. Mindestens jeden dritten Tag wurde demnach eine Frau* durch einen Mann getötet. Jeden Tag gab es zudem einen versuchten Femizid. Jede vierte Frau* erlebt in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt. Jede zweite bis dritte Frau* in Deutschland ist von körperlicher und jede siebte Frau* von sexualisierter Gewalt betroffen. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im mittleren bis hohen Bereich. Während des ersten Pandemie-Jahres 2020 gab es einen Höchstrekord hinsichtlich der Zahlen zu Gewalt in Partnerschaften.
Diese Zahlen zu geschlechtsbasierter Gewalt stehen krassen Kontrast zu einem [dramatischen] Mangel an Schutzräumen und Hilfsangeboten für Frauen*/FLINTA, die von Gewalt betroffen sind, gegenüber. Derzeit fehlt es an ca. 15.000 Frauen*hausplätze. Fehlende Plätze also, die in akuten Gefahrsituation dringend gebraucht werden und im Zweifel dazu führen, das Frauen* sich gezwungen sehen, zurück in eine gewaltvolle Partnerschaft zu gehen. Zivilgesellschaftliche Gruppen kritisieren schon seit Langem, das in Deutschland Hilfangebote für FLINTA*, die von Gewalt betroffen sind,unterfinanziert und unzureichend vorhanden sind. Es herrscht ein Mangel an effektiven Schutzmaßnahmen.

Dies widerspricht deutlich dem, wofür sich Deutschland u.a. durch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention im Jahr 2018, verpflichtet hat. Ein völkerrechtlicher Vertrag, der explizite Maßnahmen zur Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen vorsieht (vgl. Council of Europe, 2011). Durch die Ratifizierung hat Deutschland zugesichert, Maßnahmen zur Prävention, Intervention, zum Schutz von und vor sowie Sanktionen gegen geschlechtsspezifischer Gewalt umzusetzen. Maßnahmen werden nur in Teilen und zu langsam umgesetzt. Eine auf Grundlage der Istanbul-Konvention umzusetzende Monitoring-Stelle gegen Gewalt an Frauen befindet sich erst seit 2020 im Aufbau.

Es fehlt zudem an differenzierten Zahlen, die das Ausmaß der Gewalt deutlich machen. Die einzige offizielle Statistik ist die des Bundeskriminalamtes. Die Statistik folgt strikt der binären Geschlechterordnung von Gewalt betroffene Trans-, Inter- und nichtbinäre Personen werden in der Statistik somit ignoriert. Dies hat u.a. zur Konsequenz, das in Hinblick auf Femizide Transfrauen, die keine Personenstandsänderung vorgenommen haben, in der Statistik als männliche Todesopfer aufgeführt werden. Entsprechend gibt es keine validen Statistiken, die kontinuierlich auf das Ausmaß von Gewalt im Geschlechterverhältnis in Deutschland hinweisen. Detaillierte Auflistungen von Zahlen gibt es derzeit ausschließlich durch die Initiative von Nichtregierungsorganisationen und Aktivist:innen (Feminicide Map, #Keine Mehr Dokumentationsprojekt, Arbeitskreis Feministische Geographie).
Männliches Gewalthandeln muss als Reaktion auf das Infragestellen der binären Geschlechterordnung und als Abwehr gegenüber Lebensentwürfen fernab von heteronormativen Kleinfamilien verstanden werden. Das Risiko von geschlechtsbasierter Gewalt betroffen zu sein ist dann besonders hoch, wenn die als Norm geltende Geschlechterordnung in Frage gestellt wird.

Deshalb fordern wir #stattRosen:

  •  die Schaffung und den Erhalt ausreichender Schutzräume und Hifsangebote für FLINTA*, die von Gewalt betroffen sind.
  • Politisch muss die Ratifizierung der Istanbul-Konvention endlich ernst genommen und konsequent umgesetzt werden!
  • Gewalt gegen FLINTA* muss in den Fokus von gesamtgesellschaftlichen Debatten rücken und als strukturelles statt individuelles Problem erkannt und benannt werden!
  • Femizide müssen als solche klar benannt und juristisch als Straftatbestand anerkannt werden.
  • Es müssen genügend Gelder für Präventionsprojekte, an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, bereitgestellt werden. Dies um wirklich nachhaltig der strukturellen Gewalt etwas entgegensetzen zu können.
  • Die Etablierung einer differenzierten Statistik, welche Personen außerhalb der binären Geschlechterordnung gleichwertig berücksichtigt!
6.Bezahlbarer Wohnraum #stattRosen

Der Berliner Wohnungsmarkt hat sich dieses Jahr in 3 Monaten um fast 30% verteuert und katapultiert die Hauptstadt damit auf Platz 2 der teuersten deutschen Städte, direkt hinter München. Welche fatalen Folgen das für Familien, Alleinerziehende und Kinder hat, können wir uns durch die Erfahrungen der letzten Jahre nur vage ausmalen. Schon jetzt werden immer weniger große Wohnungen gebaut, da mehrere kleine Wohnungen auf derselben Fläche lukrativer sind. Familien konkurrieren mit besser verdienenden WGs um die wenigen großen Wohnungen, die hier und da für 5 Minuten online gestellt und dann direkt wieder gelöscht werden. Eins ist klar: Der Zugang zu dem lebensnotwendigen Gut einer Wohnung wird immer ungleicher. Die Stadt gehört eben nicht denen, die dort wohnen, sondern denen, die lukrativ investieren wollen. Besonders sichtbar wird in dieser Krise um Wohnraum auch die Benachteiligung durch strukturelle (Mehrfach-)Diskriminierung. Ohne sicheren Aufenthalt, ohne Geld im Hintergrund, das es ermöglicht über 3 Monate auf die Bearbeitung von Sozialleistungen zu warten, ohne Deutsch als Muttersprache oder Erziehungspartner*innen, die einem ermöglichen die Wohnungssuche als Vollzeitjob zu betreiben, spitzt sich die Lage derart zu, dass Kinder und Eltern prekarisiert und von Wohnungslosigkeit und Armut bedroht werden. Die Wohnungspolitik der BRD trägt zu einer Bevorzugung der oberen Einkommensschichten bei, Menschen mit niedrigem Einkommen hingegen bleibt nach Abzug der Wohnungskosten häufig weitaus weniger als das „Existenzminimum“ (Regelsatz im SGB II,3). Wir kämpfen für eine Umverteilung, sodass Familien, Kinder, Alleinerziehende und alle anderen verdrängten Gruppen als Adressat*innen einer sozialen Wohnungspolitik gesehen werden, die nicht rein aus Marktprinzipien funktioniert und sich selbst überlassen wird. Die fortschreitende Ökonomisierung des Wohnungsmarktes geht mit einer massiven Verdrängung von Vielfalt einher.
Wir fordern eine feministische Wohnungspolitik, das heißt: Feministisch enteignen! Feministisch vergesellschaften! Wem die Stadt gehört, geht uns alle was an!

Deshalb fordern wir #stattRosen:
– Eine Wohnungspolitik, bei der die Menschen, insbesondere diskriminierte und/oder prekarisierte Gruppen, an erster Stelle stehen
– feministische Enteignung, Vergesellschaftung und Rekommunalisierung (–> Vorkaufsrecht nutzen!)
– Schutz von solidarischen Wohnformen
– Zwangsräumungen verhindern
– Zeit und Anreize zum Bandenbilden, wie Mieter*inneninitiativen
– Ein gelebtes Recht auf Wohnen und die Regulation der Mietpreise
– Ausbau von Sozialwohnungen statt Spielplatz für Superreiche
– Verantwortung der Kommune insb. Familien genügend großen und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen

Schaut gerne in unserem Glossar für weitere Erklärungen vorbei ! (Oben rechts oder hier: https://mutterschaftundfeminismus.com/glossar/)